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geschrieben am: 21.12.2005 um 00:27 Uhr
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„Pass auf ihn auf.“ Erwidert Eilin hektisch und der dunkle Schopf eilt schon, ohne einen Abschiedskuss, die Tür hinaus. Monoton poltern die Absätze auf den Treppen, die außerdem widerwillig, unter den Füßen der Wilden, knirschen.
In der ganzen Hektik findet Eilin einen Moment Ruhe an der Ampel, die behandschuhten Finger fischen das Stückchen Papier heraus, das gerade ein paar unordentliche Buchstaben enthält: „Max – 13.00h –Vorstellungsgespräch“.
Noch einmal wird der Zettel überflogen mit dem billigen Grün in den Augen, dass schon von dem Drecksleben eingenommen ist. Weder Geduld noch Konzentration bringen die schmalen
Füßen zum ruhigen Stehen, es ist zu kalt.
Die Autos rauschen vorbei, die vielen Weihnachtslichter finden keinerlei Beachtung in dem einsamen Blick, der mehr und mehr das andere Straßenende sucht.
New York ist riesig, ‚Big Apple’, ein interessanter Name für eine Stadt aber dazu muss man sagen, dass er sehr zu ihr passt. Eingenommen von der Weihnachtszeit werden sämtliche Straßen von elektrischen, kitschigen, hässlichen Weihnachtsschmuck eingenommen. Eilin findet daran kein Gefallen, es sieht nicht schön aus. Es fehlt die Liebe zum Detail.
„Hey, schenk mir ein Lächeln, Kleines!“ Sie hat es auf die andere Straßenseite geschafft, unauffällig, sie findet unter den tausenden Menschen hier kaum eine Bedeutung, selten hebt sich hier eine Person von vielen ab. Ein kleiner, mit bunter Folie umwickelter Schokoweihnachtsmann wird in den weißen Handschuh der Kleinen gedrückt. Der nach Alkohol riechende Weihnachtsmann mit dem intensiven, zärtlichen Lächeln und den bleckenden, schönen Zähnen hat das Mädchen, in dem Getümmel entdeckt.
„Ich?“ Eilin wendet den Kopf heimlich zur Seite, der Blick rutscht in den Winkel, niemand anderes blieb stehen oder achtet auf den dicken Weihnachtsmann.
Braune Augen starren den Kohleschopf intensiv und süßlich an, auch wenn die alkoholisierte Gestallt schon hässlich ist, findet sie schon irgendwo süße Sympathie für den Roten.
„Hey danke, bist schon ‘n ganz Cooler!“ In einem Ghettoslang laufen kunterbunte Worte über die grinsenden Lippen der 18 Jährigen. Liebevoll, darf ein Beobachter sagen, wie der Kopf des Mädchens von einer riesigen Hand getätschelt wird.
Schon war es der Abschied zwischen zweier Personen, Eilin hat es wie gesagt sehr eilig.
Es ist nur noch ein kurzer Weg von acht Minuten zwischen befahrenen Straßen und Gassen hindurch, es sollte alles sein so wie immer. Eilin in dem weißen Mantel, den passenden Stiefeln geht mit der Gravur eines Hüftschwungs, es hat keinen Wert. Sie ist zu klein umgesehen zu werden, hier und da landet eine breite Fußsohle auf ihren Tretern, da ein Rippenstoß. Gelegentlich schmerzt es schon aber es sind wie immer Dinger über die sie hinweg sehen wird.
Alles so wie immer, es würde jetzt nichts mehr dazwischen kommen, es ist nur noch ein kleines Stück bis zu dem Imbiss „Max“. Appetitlich liegen die Gerüche von Bürger und Weihnachtsobst in der Luft und doch zerstört ein typisch mechanisches, vibrierendes Klingeln die gesamte Weihnachtsatmosphäre, die auf die Jugendliche gerade einwirkt.
Zeit zum Abnehmen? Gerade so fischen kleine, geschickte Hände der unscheinbaren Hure, das winzige Telefon aus der Jackentasche. Keine Zeit um abzunehmen? Doch, dem Kind könnte etwas passiert sein. Fast mit hemmungslosem Schuldgefühl drückt der schmale Daumen die Freigabe und ein, „Hallo?“, nuschelt die heisere Stimme Eilins in den Hörer.
„Eilin, du hast dein Geld verg…“ Doch schon findet alles, in einem Augenblick der Unachtsamkeit, sein Ende. Ein Wimpernschlag nur.
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