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geschrieben am: 21.10.2004 um 22:13 Uhr
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Solche Meldegänge machte ich nun täglich, auch nachts. Ich kannte ja das Gelände wie meine Westentasche, als Kinder haben wir immer dort gespielt. So habe ich viele Meldungen durchs Niemandsland gebracht. Man wußte nie: ist der Russe schon da oder nicht. Ich hab mir gesagt: Es ist stockdunkle Nacht, der Russe kennt sich nicht aus, aber ich kenn' mich aus, also hat ich die größeren Chancen...
Obwohl mir Uniform und Stahlhelm zu groß waren, fühlte ich mich als richtiger Soldat. Sogar zu den Lagebesprechm am großen Kartentisch holte mich der Kommandant. Da mußte ich den Offizieren erzählen, was das für Brücken sind, ob sie aus Holz sind oder nicht.
In diesen Tagen bekam ich auch meine Auszeichnung. Es war ja nicht alltäglich daß ein Sechzehnjähriger so was macht. „Hübner", sagte der Kommandant, morgen, da gibt's Lametta." Wenn er dienstlich mit mir sprach, sagte er immer „Hübner". Sonst nannte er mich meistens „Bubi". Das war einer der rührendsten Augenblicke in meinem Leben. Die ganze Kompanie war angetreten und ich mußte die Front abschreiten mit dem angehänten Dingsda. Da waren alte Landser dabei denen sind die Tränen gekommen, weiß nicht warum...
Am 9. März dann kam Goebbels höchst persönlich nach Lauban. Auf dem Marktplatz mußten wir antreten, feldmarschmäßig, alles schön geputzt. Als ich da stand als Pimpf mit 16 und mit dem EK II, hat er das gleich gesehen und mich beglückwünscht. Und dann die Einladung vom Reichsjugendführer. Die Meldung über meine Auszeichnung war nach Berlin gangen. 20 Mann von der Ostfront waren eingeladen, lauter EK II.-Leute. Für eine Woche durften wir nach Berlin ins Gästehaus des Reichsjugendführers.
Das war eine Zeit, wie ich sie in meinen Leben nicht erlebt hatte. So was tolles zu Essen hatte ich noch nie gesehen, sogar Tischwein gab es. Wir haben uns gefühlt wie die Fürsten. Mit dem Bus haben wir Berlin besichtigt, auch die Schlösser. Und jeder von uns dachte: „Jetzt kommt bestimmt die Wende."
Plötzlich hieß es, daß uns der Führer in der Reichskanzlei empfängt. Wie verrückt haben wir auf Hochglanz gebracht, was noch an alten Klamotten hatten.
Am nächsten Tag sind wir dann reinmarschiert in den Hof der Reichskanzlei. Und dann kam er. Reichsjugendführer Axmann war dabei und der Schäferhund vom Führer und noch einige SSler von der Leibstandarte. Er hat dann die Front abgeschritten. Jeder machte knappe Meldung: „Oberkameradschaftsführer Hübner, Bann 803, Gebiet Niederschlesien, Melder im Kampf um Lauban." Und jedem hat er die Hand gegeben. Wie er mir die Backe gestreichelt hat, sagte er „Brav, mein Junge", oder so was ähnliches. Dann hat er eine kurze Ansprache gehalten, wie stolz er auf seine Jugend ist...
Wir kannten ihn ja nur von der Stimme oder von der Wochenschau her, doch seine Person, die unmittelbare Nähe zu ihr, faszinierte uns derart, daß wir gar nicht auf den Gedanken kamen: Der ist auch nur ein Mensch wie alle anderen. Erst später ist mir bewußt geworden, daß er ein ziemlich eingefallenes Gesicht hatte - und ein bißchen zitterte, als er zu der kurzen Ansprache ging. Daß ein Fotograf dabei war hab' ich gar nicht mitbekommen, weil ich so auf ihn konzentriert war. Das war schon ein großes Gefühl, unbestreitbar. Das größte Ereignis in meinem Leben ...
Im Gästehaus durfte sich dann noch jeder EK II.-Träger was wünschen. Eigentlich wollte ich ja 'ne Leica haben, aber es war keine mehr da. So hab' ich mir einen Füllfederhalter mit Goldfeder schenken lassen. Ich bin wieder zurück nach Lauban, aber da war nichts mehr los. Hier traf ich meine Familie wieder, bis auf einen Bruder, der vermißt war. Bald wurden wir von den Polen ausgewiesen und kamen ins Leipziger Braunkohlenrevier. Dort habe ich meine Lehre als Dreher fertiggemacht.
1950 habe ich die Ostzone verlassen und bin nach Landshut. Dort hab' ich als Tankwart gearbeitet. Zur Zeit bin ich Hausmeister in einer Eigentums-Wohnanlage. Das war eine schwere Zeit: Zuerst fühlst du dich ganz oben - und dann die Stunde Null. Von Politik will ich nichts mehr wissen, da halt' ich mich schon lange raus. An Kameradschaft glaub' ich auch nicht mehr: Zuerst bist du der Schütze Arsch, auf und nieder, dann kriegst du Lametta, und alle sagen: „Hübner, wir haben doch immer gewußt, was in dir steckt..." Und dann triffst du später alte Kameraden, gehst auf sie zu, und die wollen dich nicht mehr kennen: "Hau ab, geh bloß weg." |
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